24.10.10

FARBWAHRNEHMUNG

In einer vor kurzem begründeten neuen Zweig-Arbeitsgruppe haben wir uns mit dem Erleben von Farben beschäftigt.
Es ging dabei darum zunächst die Farbe sinnlich wahrzunehmen, dann die sich daran anschließenden Empfindungen und Gefühle ins Bewusstsein zu rücken und sich darüber auszutauschen.
Wir folgten überwiegend den Ausarbeitungen von Liane Collot d’Herbois (s.u.) über den Zusammenhang zwischen den Kulturepochen der Menschheit und der sich nach und nach entwickelnden Farbwahrnehmung der Menschen.
Wer sich mit der Erforschung vergangener Inkarnationen bemüht, sollte sein Augenmerk auch auf diesen Aspekt lenken. Er wird also in Griechenland eine andere Himmelsfärbung als in Ägypten erleben können.

In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, dass auch die traditionelle Wissenschaft Hinweise kennt, die auf eine völlig andere Farbwahrnehmung in alten Kulturen schließen lassen.

Hier ein Zitat aus den Vorbemerkungen der Herausgeber von:
Rudolf Steiner, Farbenerkenntnis - Die geschichtliche Entwicklung der Farbwahrnehmung
G 291a

“Der Grieche war vorzugsweise empfänglich in dem Rot, er lebte in dem Rot..., indem wir in einer gewissen Weise immer mehr und mehr lieb gewinnen die blaue und blau-violette Farbe, müssen sich ja unsere Sinnesorgane völlig ummetamorphosieren, umwandeln.

In der Mitte des 19.Jahrhunderts entdeckte man auf dem Wege der Sprachforschung, dass der Farbensinn der Menschheit in der geschichtlichen Entwicklung Veränderungen erlebt haben muss. Charles von Steiger fasste in seinem Aufsatz «Über die Farbwahrnehmungen der Menschen in früheren Kulturen und die auf diesem Gebiet gemachten Entdeckungen» den Gang dieser Entdeckungen wie folgt zusammen...
Der englische Premierminister und Homerforscher Gladstone hatte im Jahre 1858 (in «Studies on Homer») darauf aufmerksam gemacht, wie wenige Farbwörter sich in der Homerischen Sprache befinden und wie unbestimmt ihr Gebrauch, namentlich bei Blau und Grün ist. Diese Beobachtung wurde von Lazarus Geiger, einem deutschen Sprachforscher, weiterverfolgt, der nachwies, dass die Ausdrücke für Farben in der Bibel, den Veden, dem Zend-Avesta und anderen Werken früheren Datums mit der gleichen Unbestimmtheit gegenüber unserem festen Gebrauch auftreten (in «Zur Entwicklungsgeschichte der Menschheit», 1871). Der Entdeckung dieser Tatsachen folgte sogleich der Versuch, sie zu deuten, und zwar im Sinne der damals blühenden Entwicklungslehre, dem Darwinismus. Dabei entstanden, entsprechend der Allgemeinheit dieser Lehre und der daraus folgenden Schwierigkeit ihrer Verbindung mit den konkreten Beobachtungen, zwei sehr verschiedene Auslegungsarten, die sich aber beide auf den Darwinismus stützten.

Die eine vertrat, neben Geiger selbst, hauptsächlich der deutsche Ophtalmologe Hugo Magnus in zwei Broschüren: «Die geschichtliche Entwicklung des Farbensinns», 1877 und in «Preyersphysiolog. Abhandlungen» 1, IX, worin er darzutun versucht, dass die Farbenwahrnehmung des Kulturmenschen eine Eigenschaft ganz neuen Datums sei und dass vor kaum 3000 Jahren der Mensch unfähig gewesen, zwischen Violett, Grün, Blau und Gelb zu unterscheiden. Dieser Ansicht schlossen sich später auch Gladstone, A. R. Wallace, einer der Mitbegründer der Theorie von der natürlichen Auslese, sowie andere Wissenschaftler an (Gladstone: «The colour sense» in «Nineteenth Century», 1877;)“ 

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Hier ein weiteres Zitat aus:
Guy Deutscher „Im Spiegel der Sprache“-
Erst Rot, dann Gelb, dann Grün und Blau

„...Gladstone war aufgefallen, dass Homer sich auf verschiedene Farben mit ein und demselben Wort bezieht, für einen Gegenstand verschiedene Farbworte verwendet und überdies einen sehr reduzierten Farbwortschatz aufweist, in dem Schwarz und Weiß deutlich überwiegen, Rot immerhin vorkommt und auch korrekt verwendet wird, in dem hingegen das Blau des Himmels nicht zu finden ist. Für Gladstone war das ein Beleg dafür, dass Homer und seine Zeitgenossen tatsächlich noch nicht die Farben gesehen hatten, die wir kennen, weil diese Fähigkeit sich bei unseren Vorfahren erst danach durch eine stetige „Erziehung des Auges“ herausgebildet hätte – wozu auch das Herstellen von Farbstoffen gehörte, das zu Homers Zeiten noch kaum in Fahrt gekommen war. Nur wenige Jahre später stützte sich der Frankfurter jüdische Gelehrte Lazarus Geiger auf eine ungleich breitere Basis von Sprachstudien, um aus ihnen eine erstaunliche historische Entwicklung des Farbvokabulars abzuleiten: zuerst nur Schwarz und Weiß, dann Rot – so weit hatte Gladstone also an Homer richtig gesehen –, dann weiter entlang des Spektrums zu sukzessiven Erweiterungen mit Gelb, Grün und Blau.“