7.11.13

Anthroposophischer Gesprächskreis Braunschweig

Seit gut drei Jahren trifft sich unser Anthroposophischer Gesprächskreis wöchentlich. Zur Zeit sind wir elf Menschen, die donnerstags im Braunschweiger Zweigraum zusammentreffen. Wir sind überwiegend Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. Viele haben ihr Leben lang intensiv Anthroposophie erarbeitet.

Rudolf Steiner äußerte einmal, dass für eine esoterische Entwicklung auch der Gesichtspunkt der Brüderlichkeit unabdingbar sei. In schwesterlicher und brüderlicher Gesinnung zusammen sich um das Geistige zu bemühen, das ist unser Herzensanliegen. Um uns diesem Ziel anzunähern, wollen wir nur nicht das Wissen und die Erkenntnisbildung, die den Kopfpol ansprechen, allein in den Vordergrund stellen, sondern wir wollen, dass das Fühlen, das fühlende Erleben auch seinen entsprechenden Stellenwert bekommt. Anthroposophie wird individuell in jedem einzelnen Menschen, indem sie vom Kopf in das Herz hinunter wandert und dort wahrgenommen wird. So entsteht das neue Herzenswissen, aufgeschlossen für alles Weltliche und Menschliche, hinabströmend in den handelnden Willen.

Diese Gleichwertigkeit des Kopfmenschen mit dem Herzensmenschen bedingt bei uns auch, dass die Gruppe keinen Leiter hat. Das Herzenswesen findet seinen Ausdruck in den Armen, die sich zur Seite in die Weite breiten können. Der Kopf dagegen steht und bleibt für sich. Mit den Armen können wir einen Mitmenschen umarmen, wir reichen ihm die Hände, wir können einen Kreis bilden und uns an den Händen fassen. Wir legen auch für unsere Arbeit gewöhnlich kein Buch oder keinen Zyklus zugrunde, wodurch der Inhalt der Begegnung schon längerfristig vorgegeben wäre. - Was nicht heißen soll, dass wir in irgendeiner Weise das gedruckte Werk Rudolf Steiners oder gleichwertige Literatur geringschätzen; ihm verdanken wir vieles oder gar alles. - Sondern bei jedem Zusammenkommen bildet sich gewissermaßen die Gemeinschaft ganz neu. Aus einer meditativen Stille heraus ergreift einer von uns das Wort. Die nächsten Gesprächsbeiträge schließen sich ihm an. Jeder Gesprächsbeitrag klingt in Ruhe nach, weil man sich wirklich zuhört und nicht gleich den vorherigen Gedanken mit seinem eigenen Denken überdeckt. So entsteht immer wieder ein erstaunlich ruhiger, verbindender Gesprächsduktus. Immer ist der Sprechende der Mittelpunkt unserer Gemeinschaft, er ist der „Leiter“.

Wir wollen es vermeiden, bereits anderswo oder früher gedachte Gedanken oder Angelesenes nebeneinander in den Raum zu stellen. Sondern wir versuchen aus dem Erleben heraus zu sprechen, eigene, neue Formulierungen zu finden, die ganz mit unserer Persönlichkeit verbunden sind. In diesem Sinne gibt es bei uns keine falschen Aussagen, sondern nur persönliche, und die sind immer richtig und wahr. Und das wollen wir gelten lassen.

So bleibt es nicht aus, dass sich unsere Herzen immer wieder berühren, dass wachsendes Vertrauen die Atmosphäre bestimmt. Und so treten wir gelegentlich auch fühlend an die Schwelle heran und überschreiten sie tastend, inspiriert durch die schwesterlich-brüderliche Offenheit und Ehrlichkeit.

In der geschilderten Gesinnung ringen wir inhaltlich und gestaltend z.B. um die Jahresfeste. Wir bewegten uns lange rund um das Thema Doppelgänger oder Kernenergie und ihre Folgen, gelingend und scheiternd. Außerdem betrachten wir - Wahrnehmung und Empfindung übend - Steine, Pflanzen, Farben oder auch Bilder.

Es war ein Wagnis, ein Experiment mit einer Arbeit in diesem Stil zu beginnen. Wir betrachten den Versuch als gelungen, auch wenn jedes Treffen von neuem eine Herausforderung ist und die volle Ich-Gegenwart, die volle Ichhaftigkeit erfordert. Aus dem Keimling ist eine kleine Pflanze geworden, die auf dem geistigen Boden der Teilnehmer wächst und gedeiht.