Man erlebt anthroposophische Vorträge, wo alle mit großer Aufmerksamkeit, Hingegebenheit und seelischer Zufriedenheit zuhören. Auch hinterher des Lobes voll sind für den Vortragenden.
Je nach Thema wird man gewisse neue, sachliche Informationen erhalten. Betrachtet man den Rest des Vortrages, den Stil, die Art, wie die sachlichen Informationen verarbeit werden oder mit der Anthroposophie in Verbindung gebracht werden, dann wird man feststellen, dass man im Grunde nichts Neues erfährt. Man schmückt gewissermaßen die anthroposophischen Grundelemente mit einem neuen Thema.
Der Zuhörer erlebt dabei eine Befriedigung, weil er eigentlich alle Gedanken im Grunde schon kennt. Er kennt sie nur noch nicht in dieser Kombination.
Auch wenn der Redner, so wie ich es erst kürzlich erlebte, sehr deutlich und mahnend auf Notwendigkeiten des Schulungsweges eingeht, so ist man dennoch zufrieden - auch wenn man etwas zerknirscht ist, weil man ja vielleicht nachlässig mit dem Schulungsweg umgeht - , denn auch diese Zerknirschung und Mahnung kennt man ja längst und hat sich schon mit einem gewissen Wohlgefühl an sie gewöhnt.
Der Redner strahlt dabei die Botschaft aus: Ich arbeite streng und konsequent. Aber durch Art und Stil seines Vortrages strahlt er noch etwas anders aus: Aber der Schulungsweg bringt doch keinen großen Erfolg, wenn daraus ein solcher Vortrag hervorgeht.
So erleben wir die angelesenen Erkenntnisse Rudolf Steiners in vielen Vorträgen in tausenderlei neuen Formen wiedergeben, neu kombiniert, neu arrangiert, neu garniert.
Wir erleben nur selten, die geistige Arbeit, das geistige individuelle Ringen eines Menschen, seine neuen Erkenntnisse. Und wenn es wirklich neue Erkenntnisse sind, so muss er fürchten, dass sie von der Zuhörerschaft abgelehnt werden. Sie beunruhigen die Zuhörer.
Dafür bräucht der Vortragende Mut. Michaelischen Mut!