Wenn man die anthroposophische Arbeit im letzten Jahrhundert über längere Zeit verfolgen konnte, dann stellte man fest, dass auch bei Anthroposophen, die noch nicht sich das auf dem Schulungsweg das erworben hatten, was Rudolf Steiners Intentionen entsprach, dennoch etwas Geistiges in ihren Worten mitschwang und dadurch konnten die damaligen Gruppen oder Tagungen beseelt werden. Es waren die Worte oft genauso gedanklich und intellektuell wie heute, dennoch konnten sie Gutes bewirken, weil sich mit ihnen etwas Geistiges wie in einem letzten Nachklang noch verband.
Rudolf Steiner soll einmal davon gesprochen haben, dass ein geistiger Impuls etwa 70 Jahre wirken kann. So könnte man nun analog davon ausgehen, dass der geistige Impuls, den Rudolf Steiner in die Welt gebracht hatte und den die Anthroposophische Gesellschaft in ihrem Schoß aufgenommen hat, etwa 70 Jahre wie eine Jugendkraft in der Gesellschaft wirkte. Sie entwickelte sich aus diesem Impuls heraus immer weiter, sie war beseelt und begeistet von ihm. Jugendsünden wurden überwunden und verziehen.
In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts lief diese Zeit ab. Nun mussten die Mitglieder das selbst leisten, was vorher die Gnade des geistigen Impulses Steiners bewirkt hatte. Ihr meditativ-geistiges Handwerk mussten die (führenden) Mitglieder inzwischen gelernt haben; 70 Jahre konnte die Anthrop. Gesellschaft lernen, 70 Jahre dauerten ihr Lehr- und Wanderjahre. Nun begann die Zeit der Selbstständigkeit, der „Meisterschaft“.
Doch nun zeigte sich, dass eben in den Jahrzehnten zuvor nicht die rechte Vorbereitung getroffen worden war. Die persönliche, geistige, meditative Arbeit war nicht intensiv genug gewesen. Jetzt wurden die gleichen Worte gesprochen wie vorher, aber es schwang nichts Geistiges mehr mit. Denn dieses Geistige hätte nun selbst errungen worden sein müssen.
Damit wurden die Worte und Inhalte wie Leiber ohne Geist und Seele, sie erstarben, sie erstarrten. So kann man heute sogar anthroposophische Literatur lesen, die einem wie eine Geist-Mumie vorkommt. Wenn man an die ägyptischen Pharao-Mumien denkt, so findet man sie herrlich geschmückt und verziert, in prachtvollen Särgen. In der Anthroposophie täuscht manchmal der herrliche Klang der Worte und Inhalte leicht darüber hinweg, dass in ihnen nicht mehr der gute Geist lebt.