Bei der Beschäftigung damit, wie eigentlich eine anthroposophische Gruppe zusammenarbeiten könne, stieß ich wieder einmal auf den 6.Brief Steiners an die Mitglieder, aus dem ich einiges hier veröffentlichen möchte:
24. Februar 1924
An die Mitglieder!
ERKENNTNISSTREBEN UND WILLE ZUR SELBSTZUCHT
In der Anthroposophischen Gesellschaft treten die Menschen einander näher, als sie dies tun würden, wenn sie sich auf einem andren Lebensfelde begegnen würden. Das gemeinsame Interesse für das geistige Weltwesen schließt die Seelen auf. Es erscheint für den einen bedeutsam, was der andere in seinem Streben nach dem Geistigen innerlich erlebt. Der Mensch wird mitteilsam, wenn er weiß, er steht einem Mitmenschen gegenüber, der für das Innerste, das die Seele bewegt, ein aufmerksames Gehör hat.
Dadurch bildet es sich wie von selbst, dass die Mitglieder der Gesellschaft anderes und dieses andere auch anders aneinander beobachten als andere Menschen. Das aber schließt zugleich eine Gefahr in sich. Man lernt einander schätzen, indem man sich trifft. Man hat die innigste Freude an der Seelenäußerung des andern. Alle edlen Wirkungen des freundschaftlichen Zusammenseins können sich rasch entfalten. Es liegt nahe, dass diese Wirkungen sich rasch zur Schwärmerei steigern können.
Man sollte einer solchen Schwärmerei, trotzdem sie ihre Schattenseiten hat, nicht nur das kalte, nüchterne Philisterherz oder die überlegene Weltmenschenhaltung entgegenbringen. Schwärmerei, die sich zur harmonischen Seelenhaltung durchgerungen hat, ist geisterschließender als ein Gleichmaß, das an allen bedeutsamen Lebensoffenbarungen mit starrer Haltung vorbeigeht.